Könnte dies das Ende der natürlichen Parfüms sein ?

von John Stephen Parfümeur

Wir sind alle gewohnt von den oft absurden Gesetzen die aus Brüssel kommen zu hören, bis zu dem Punkt wo uns nichts mehr wirklich überraschen kann. Nun ist eine weitere Ladung auf den Weg. Geliefert wird im März 2005. Dieses Mal geht es um Parfüm. Die Qualität und die Vielfalt der Düfte, die wir alle tragen könnten bedroht sein.

Die neuen Vorschriften verlangen von den Parfumerstellern ihre Produkte zu kennzeichnen, wenn sie Allergene enthalten. Alles schön und gut sagen sie - wir wollen ja keine Parfüms, die auf unserer Haut jucken und es wäre schön zu wissen, welche Düfte dies sind, damit wir sie vermeiden können. In der Theorie stimmen ich zu. In der Praxis glaube ich nicht, dass es funktionieren wird, und schlimmer noch, es könnte die Verwendung von natürlichen Inhaltsstoffen in Parfums beenden.

Das Problem ist, dass die Materialien, die als Allergene gelten überall vorkommen. Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben - es gibt 26 Allergene auf der ersten Liste und Geraniol und Limonen sind zwei von ihnen. Hier an der Cotswold Perfumery haben wir 600 Rohstoffe auf Lager, die wir zusammenmischen wenn wir unsere Düfte kreieren. Die meisten dieser Materialien sind natürlich und bei der letzten Zählung enthalten nur drei von ihnen - Sandelholz , Zedernholz und Patchouli - keines der potentiellen Allergene Geraniol oder Limonen. So werden in der Praxis so gut wie alle natürlichen Materialien betroffen sein.

Wir müssen uns hier fragen, ob wir nicht am Ziel vorbeischiessen. Nützt es wirklich, wenn wir die Öffentlichkeit vor Ingredienzen warnen, welche in jedem Naturprodukt enthalten sind? Warum schreiben wir nicht aufs Etikett: "Achtung - enthält natürliche Materialien" und lassen es gut sein.

An dieser Stelle ist es hilfreich, unsere Position zu klären. Erstens stimmen wir völlig mit dem Prinzip des "sicheren" Produkts überein. Alle unsere Produkte entsprechen den Empfehlungen für Konzentrationen von bekannten Allergenen in Parfüm und haben es immer getan. Und wir wissen auch, dass es eine signifikante Minderheit der Bevölkerung gibt, welche unter Allergien leidet, deren Auswirkungen nicht unterschätzt werden dürfen. In der Lebensmittelindustrie beispielsweise sind Allergien gegen Nüsse in der Tat sehr ernstzunehmen. In einigen Fällen kann es sogar eine Frage von Leben oder Tod sein. Die Kennzeichnung von Lebensmittel, die Nüsse enthalten ist daher unerlässlich. Auch in unserer eigenen Industrie, sind einige natürliche Parfümöle photosensitiv und daher krebserregend, wenn sie dem Sonnenlicht ausgesetzt werden. Hier gibt es keine Kompromisse. Diese Materialien dürfen einfach nie über dem empfohlenen Wert verwendet werden.

Wenn es um Materialien geht, die auf der Haut jucken können ist es wahr, dass es einige gibt, die einen großen Prozentsatz der Bevölkerung betreffen. Als kreativer Parfümeur vermeide ich sie ganz, oder verwende sie auf oder unter dem empfohlenen Wert. Dieser Wert wird von den Forschungseinrichtungen der Industrie (siehe weiter unten) festgesetzt. Sie sagen, dass, wenn die Materialien in dieser oder jener Konzentration, verwendet werden, die Zahl der Betroffenen so gering ist, dass sie statistisch akzeptabel bleibt. Diese mathematische Berechnung ist wichtig, weil, egal welches Material wir wählen, es immer jemand, irgendwo geben wird, der darauf allergisch reagiert. So etwas wie 100% allergenfrei gibt es nicht. Die einzige praktikable Lösung besteht darin sicherzustellen, dass die Größe der Gruppe von Menschen, die auf ein bestimmtes Material reagieren ausreichend klein ist.

Damit kommen wir zu der Frage: wie klein ist klein? Wenn Sie es sehr klein zu machen, dann bleibt praktisch alles, im Netz hängen und wird zum Allergen. Bewegen wir uns in diese Richtung? Es würde sicher ins Muster der Übervorsicht passen, welches in den letzten Jahrzehnten zunehmend durch unser Leben fegt. Angetrieben von einer immer agressiveren Prozesskultur. Was ist der nächste Schritt? Werden wir wegen der Blumen in unserem Garten und den Früchte auf unseren Bäumen verklagt werden ? Es ist durchaus möglich. Aber was noch absurder ist, das Gesetz betrifft nur Duftstoffe, nicht Lebensmittel.

Wenn Sie unser Parfüm welches Orangenöl enthält auf Ihre Haut spritzen, werden sie von uns gewarnt, dass Limonen vorhanden ist, wenn es mehr als 0,001 % sind - in der Tat eine sehr kleine Menge! Andererseits, wenn sie in ihren lokalen Supermarkt gehen und eine Orange kaufen wird Limonene beim Schälen in tausendfach höherer Konzentration von Ihren Fingern tropfen davor müssen sie offenbar nicht gewarnt werden. Falls sie, lieber Leser, politischer Entscheidungsträger sind, sollte ich wohl hinzufügen, dass ich nicht dafür bin, alle Orangen und Zitronen mit schwarzen Kreuzen zu kennzeichnen!
Kennzeichnen wir also unser Produkte - keine grosse Sache. Doch - ich befürchte dass es ein Problem werden könte. Denn die wirkliche Tragödie kommt noch. Alles was es braucht ist eine etwas übereifrigen Berichterstattung, ein paar sensationslüsterne TV-Sendungen die vor den "Gefahren" von Parfüm warnen. Sie können sich die Medienresonanz vorstellen. Allergene sind schlecht, wir wollen keine schlechte Dinge in unserem Parfüm haben. Den nächsten Schritt kann man sich einfach vorstellen. Die Jungs von der Marketing-Abteilung werden uns drängen diesem Anspruch gerecht zu werden und allergenfreie Düfte zu schaffen.

Natürlich können wir allergenfreie Parfums machen - kein Problem - es ist nur , dass die Qualität und das Angebot ernsthaft reduziert werden. Wenn ich in meinem Labor sitze, habe ich 600 Öle zur Auswahl - wie der Komponist die Noten seiner Klaviertastatur. Nun stellen Sie sich vor, sie entfernen 60% der Tastatur und verlangen er soll einen Song schreiben. Die Lücken würden übrigens auch nicht einheitlich sein - manchmal könnten ganze Oktaven verschwinden. Ein guter Komponist kann auch so ein Musikstück schreiben, aber die Möglichkeiten sind stark eingeschränkt.

Ohne Limonen würden alle meine Zitrusnoten auf einen Schlag weggenommen. Eau de Cologne Typen mit ihrem frischem "Tzing" wären ein Ding der Vergangenheit. Ohne Geraniol wäre ich nicht in der Lage, die wichtigsten Komponenten wie Rose, Jasmin , Narzisse oder Geranium zu verwenden - und so weiter.

Aus der Sicht der Parfümkreation haben natürliche Materialien ein großer Vorteil gegenüber künstlichen Chemikalien - sie sind interessant. Menschen sind komplexe anspruchsvolle Tiere, die sich schnell langweilen, und es ist die Komplexität von natürlichen Materialien die unser Interesse hält, wir können damit über längere Zeit leben. Wann sind sie letztes Mal in den Garten gegangen und waren vom Duft einer Rose überrascht ?

Von Menschen gemacht Aromachemikalien spielen sicherlich eine entscheidende Rolle in der Parfümerie. Tatsächlich verwenden wir sie - zum Beispiel um tierische Inhaltsstoffe zu ersetzen - aber sie sind alles andere als komplex. Wenn ein natürliches Öl hunderte oder sogar Tausende von chemischen Komponenten in einem einzigen Öl enthält, wird ein Aromachemikalie immer nur eine einzige enthalten!

Deshalb gibt es keinen Zweifel, dass ein Parfüm, welches allein aus Aromachemikalien gemacht wurde, nie unser Interesse in der Art und Weise halten kann, wie dies natürliche Stoffe tun. Und es gibt ganze Bereiche von Geruchstypen, die nicht ohne einige der Materialien auf der Allergenliste erreicht werden können . Es sind nicht nur die Hauptkomponenten der natürlichen Öle, die von Bedeutung sind, es sind hunderte von Komponenten, die in winzigen Proportionen vorhanden sind, die Spurenstoffe, die aus diesen aus Pflanzen erzeugten Produkten machen, was sie sind - schön, subtil, komplex, einzigartig und, ja eben: interessant . Wir haben diese natürlichen Öle 6.000 Jahre lang verwendet - es wäre tragisch, wenn sie jetzt verloren gingen.

Man kann auch anderer Ansicht sein. dass die ganze Reguliererei nach hinten losgeht. Es gibt Hinweise aus anderen Kennzeichnungs-Kampagnen, dass niemand mehr Notitz davon nimmt, was auf der Packung geschrieben steht wenn nur noch Warnhinweise zu sehen sind. Immerhin scheint "Rauchen ist tödlich " auf Zigarettenpackungen zu schreiben nicht viel Einfluss auf die Verringerung des Rauchens zu haben. Auch hier sind wir wieder auf dem Gebiet der Rechtsstreitigkeiten und der zynische Sicht, dass die Warnungen nur dazu da sind, dem Hersteller den Rücken zu schützen.

Was können wir für Schlussfolgerungen ziehen? Können wir davon ausgehen, dass, obwohl die Zahlen sehr klein sind, die Probleme mit Allergenen in Parfüm durch Regulierung zu lösen sind. Meine Ansicht ist nein. Ich sehe keinen greifbaren Nutzen das Publikum vor allem und jedem zu warnen. Die Warnungen werden ignoriert werden.

Die Lösungen kommen eher von den Institutionen, die wir jetzt schon kennen und nutzen. Es existiert bereits ein umfangreiches und nützliches Wissen welches dem Parfumeur zur Verfügung steht. RIFM (Research Institute into Frangrance Materials) und IFRA (International Fragrance Research Association ). Diese Organisationen veröffentlichen Empfehlungen für den maximalen Prozentsatz der bekannten Allergene, die in einem Parfüm verwendet werden soll. Dies ist, wo echte Vorteile erreichbar sind - an der Quelle. Im Moment bieten sie Empfehlungen, keine Vorschriften. Warum machen wir diese Empfehlungen nicht obligatorisch?

Es scheint aber, dass die Männer in Ihren grauen Anzügen in Brüssel ihren Weg gehen und wir die Liste der schrecklichen Alergene auf unseren Parfums haben werden. Es wird noch schlimmer werden, denn sie werden mit 26 nicht zufrieden sein. - dies ist erst der Anfang. Mehr und mehr Materialien werden hinzugefügt werden, und es sind auch immer größere Etiketten zu erwarten.

Ich bitte Sie deshalb sich nicht zu viele Sorgen über den Gesundheits-, und Sicherheitswahn zu machen, wenn Sie unter denen sind, die normalerweise nicht von Allergien betroffen sind. Eignen sie sich eine ausgewogene Sicht der Dinge an und widerstehen sie dem gelegentlichen Sensationsprogram im Fernsehen, das versucht sie über die Gefährlichkeit natürlicher Parfüme "aufzuklären". Geniessen sie weiterhin Ihr Parfüm in seiner ganzen natürlichen Schönheit.


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